Am zweiten Wochenende im September habe ich mit meiner Hansajolle an der 22. Elbe-Klassik-Regatta teilgenommen. Die Veranstaltung startet traditionsgemäß am Zielpunkt des letzten Jahres. Diesmal war dies Wischhafen. Um allen Teilnehmern die Anfahrt zu erleichtern, wurde als Startpunkt eine Tonne am Rande des Fahrwassers außerhalb der Hafeneinfahrt vereinbart. Für uns Segler aus der Oste war dies ein gut erreichbares Ziel.
Da aus Richtung Hamburg die meisten Boote kommen, wird bei der Planung vor allen Dingen die ablaufende Tide berücksichtigt. Für uns bedeutet dies eher ungünstige Zeiten oder eben eine Anreise einen Tag früher. Um passend morgens um halb neun vor Wischhafen zu sein, planen Detlef zusammen mit Björn und ich mit unseren Booten am Tag vorher bis nach Glückstadt zu fahren und dort zu übernachten. Morgens um 08.00 Uhr gleiten wir durch die Geversdorfer Brücke. Es ist alles noch ganz still an der Oste, einzelne Nebelschwaden schweben über die Weiden. Diese Stimmung entschädigt mal wieder das frühe Aufstehen.
Hinter der Brücke nehmen mich die beide aufbden Haken. Gemeinsam wird auf Arvon gefrühstückt, während das Ufer der Oste an uns vorbeizieht und die Hansajolle am Heck hinter uns herfährt. Die Brücke am Oste-Sperrwerk wird nach einem Anruf passend für uns geöffnet und schon bald ist die Elbe in Sicht. Von dem dort lebenden Seeadlerpaar beobachtet, trennen wir die Schleppverbindung und auf beiden Booten gehen die Segel hoch. Der Wind ist eher schwachwindig, wodurch ich mit meinem kleinen und leichten Boot eindeutig im Vorteil bin. Zeitweise werden die Boote mehr durch den Tidenstrom vorangetrieben, als durch die Kraft des kaum spürbaren Windes. Trotzdem erreichen wir wie geplant den Außenhafen von Glückstadt. Dort treffen im Laufe das Abends weitere Segler mit ihren Holzbooten ein. Es ist ein besonders schönes Bild, wenn in der Abenddämmerung noch Boote in den Hafen kommen. Besonders schön sah es bei Conny und ihrer Blizzard aus, die klassisch wriggend hereinkommt. An Bord der Schiffe wird gemütlich gesessen und alte und neue Bekanntschaften gepflegt.
Am nächsten Morgen mussten die Leinen wieder früh gelöst werden, um pünktlich am Startpunkt zu sein. Auch an diesem Tag ist leider nur wenig Wind vorhergesagt, sodass die Boote ohne Motor Schwierigkeiten haben, gegen den schon ablaufenden Tidenstrom zur Einfahrt vor Wischhafen zu gelangen. Mit gemeinsamer Unterstützung und einer ordentlichen Portion Gelassenheit startet die versammelte Gruppe dann aber fast pünktlich elb-abwärts Richtung Freiburg. Eigentlich sollten alle Boote in einer gemeinsamen Geschwaderfahrt an Freiburg vorbei die Elbe abwärts fahren. Beim Kippen der Tide sollte dann vom Führungsschiff ein Signal gegeben werden, um möglichst schnell zum Beginn des Hafenpriels von Freiburg zu kommen. Aber ohne Wind wird daraus nichts. Deswegen ertönt das Signal nach quälendem Dümpeln bereits auf der Hälfte der Strecke Richtung Freiburg und alle sind froh, die Doppelpricke noch gerade eben passend zum Kippen der Tide erreicht zu haben. Vor Anker wartet die Gruppe im Hafenpriel, damit alle gemeinsam nach Freiburg fahren können. Für die Boote mit mehr Tiefgang kann diese erst frühestens ab halber Tide erfolgen.
In Freiburg werden wir von Rainer Hatecke und seinem Team auf der gleichnamigen Werft begrüßt. Zunächst gibt es Kaffee und Kuchen in seiner Halle. Viele Holzboote in unterschiedlichen Zuständen warten im Innern, um von den Bootbauern unter die Fittiche genommen zu werden. Insbesondere auf die Börteboote, die früher die Gäste vor Helgoland von den großen Schiffen an Land gebracht haben, hat sich die Hatecke-Werft spezialisiert. Auf einer Führung durch seine Werft berichtet Rainer, dass ca. 70% der vorhandenen Börteboote auf dieser Werft gebaut wurden. Aber auch andere schöne Schätzchen stehen dort. Neben drei 50er Seefahrtskreuzer steht unter anderem die Hansajolle „Mantje Timpe Te“ auf einem Trailer in der Halle und wartet auf Zuwendung. Rainer kann zu jedem der Boote eine Geschichte erzählen und die Gruppe hört gespannt zu. Am Grill und bei vielen Gesprächen klingt der Abend aus.
Für die Boote mit großem Tiefgang und diejenigen, die Richtung Brunsbüttel laufen wollen, geht der nächste Tag früh los. Hochwasser ist für viertel nach vier angekündigt, sodass wir spätestens um fünf Uhr den Hafen verlassen müssen, um nicht in der Einfahrt aufzulaufen. Mit insgesamt sechs Booten verlassen wir pünktlich den kleinen, idyllischen Hafen und fahren bei Dunkelheit und leichtem Nebel Richtung Elbe. Meine Hansajolle wird wieder im Schlepp gezogen und Detlef fährt mit seiner Arvon als erster voran. Langsam tasten wir uns an den Pricken entlang, um bloß nicht auf ein Flach zu kommen. Aber an der Ausfahrt zwischen den Deichlücken passiert es dann doch: durch den Nebel können wir die nächsten Pricken nicht genau sehen und der seitlich setzende Strom ist stärker als erwartet. Arvon wird mehr als gedacht versetzt und landet einen Meter neben dem Priel. Das Schiff legt sich direkt etwas auf die Seite. Gerade noch rechtzeitig können wir die Schleppverbindung lösen und ich treibe mit der Hansajolle ganz knapp an Arvon vorbei. Gerald mit seinem Drachen direkt hinter uns kann zwar noch ausweichen, landet mit seinem Kiel aber ebenfalls im Schiet. Die andern Boote sind entsprechend gewarnt und gleiten an uns vorbei Richtung Elbe. Vergeblich versuchen wir, mit Hilfe meines Außenborders beide Boote wieder freizuziehen. Aber alles zerren und aufschaukeln hilft nichts, die Boote liegen fest. Die beiden müssen sich ihrem Schicksal ergeben und den Vormittag hoch und trocken abwarten, um mit dem nächsten Hochwasser dann weiterzufahren. Wie sich später herausstellt, wird der Kiel von Arvon durch abgebrochene Pricken daran gehindert, wieder zurückzurutschen. Sonst hätten wir Arvon wieder flott bekommen.
Mit meinem Tiefgang von 50cm habe ich weiterhin genügend Wasser unter dem Kiel und kann ohne Grundberührung die Reise fortsetzen. Mit Hilfe des Außenborders fahre ich den Priel weiter bis ins Hauptfahrwasser der Elbe. Die anderen Boote liegen dort bereits vor Anker und warten auf das Kippen der Tide. Die Sonne geht langsam auf und die ersten Lichtstrahlen scheinen durch den morgendlichen Dunst. Noch kann ich das nördliche, schleswig-holsteinische Ufer sehen. Ich nutze eine Lücke im dichter werdenden Nebel mit Sicht bis ans andere Ufer und ohne störende Berufsschifffahrt und quere zügig das Fahrwasser. Dort wird aber der Nebel immer dichter und dichter. Der Revierfunk meldet auf Höhe von Brunsbüttel eine Sichtweite von 1500 Metern und mehr, sodass ich ermutigt die Fahrt fortsetze. Doch hier auf Höhe von Brockdorf ist von der gemeldeten Sichtweite keine Spur. Gefühlt sind es nur 100 Meter, die ich sehen kann. Ich hangel mich zwischen Fahrwassertonnen, Untiefentonnen und Ufer entlang, immer darauf bedacht, nicht ins Fahrwasser zu kommen und keine Begegnung mit einem der großen Schiffe zu haben. Da hier das Ufer sehr nah am Tonnenstrich ist, kann ich mich zwischendurch immer wieder ganz gut orientieren. Nur einmal kommt mir eine Untiefentonne bedrohlich nahe. Mit Hilfe des Außenborders komme ich entspannt um sie herum, unter Segeln wäre das wahrscheinlich knapper gewesen. Spannend ist zu beobachten, wie die Orientierung im Nebel schwierig wird und Geräusche gefühlt aus allen Richtungen kommen. Auf Höhe des Kraftwerkes Brunsbüttel lichtet sich dann der Nebel etwas und ich kann bei einigermaßen akzeptabler Sicht auch die Ausfahrt der Schleuse zum Nord-Ostsee-Kanal passieren. Hinter der Schleuse setzt sich die Sonne dann ganz durch und es wird ein traumhaftes Halbwindsegeln in den weiteren Morgen, sodass ich eine Stunde vor der Ostemündung beigedreht liege, um auf auflaufendes Wasser zu warten. Gegen die Strömung will ich nicht in die Oste einlaufen, da die Aktion zum Freischleppen von Arvon meinen Akku fast leergesaugt hat. Ein bisschen Kapazität brauche ich noch zum Anlegen. Insgesamt war dies ein sehr nettes Wochenende mit vielen neuen Bekanntschaften. Leider war das segeln bei dem wenigen Wind nicht ganz so schön.